Drei Geschwister, die fest zusammenhalten. Als Teenagers wurden Sie vom Jugendamt in Pflegschaft genommen und haben bis heute eine sehr enge Beziehung. Ich habe mich mit den zwei älteren Geschwistern, der 20 jährigen Sára, und dem 19 jährigen István unterhalten. István half seiner Schwester gerade bei der Vorbereitung für die bevorstehende Matheklausur. Sie haben aber auch oft von ihrem kleinen Bruder, Benjámin gesprochen.
Als sie vor fünf Jahren „eigenwillige Teenagers“ waren, hat das Jugendamt aus finanziellen Gründen und wegen der Scheidung ihrer Eltern die Vormundschaft für das Wohl der Geschwister übernommen. Sie halten keinen Kontakt mehr mit Menschen aus ihrem früheren Leben. Wie dem auch sei, füreinander bleiben Sie sehr wichtig: „Das Leben hat uns gezwungen, zusammenzuhalten.“ Am meisten vertrauen sie einander und sie helfen sich gegenseitig bei allem. Während wir uns unterhalten, erklärt István Sára eine Rechenaufgabe und zur Erholung schauen sie sich einen Film am Abend an. Alle drei leben im SOS Kinderdorf Kecskemét, aber Benjámin verbringt nur noch das Wochenende hier, unter der Woche geht er in Kiskunfélegyháza in die Schule. Bald geht auch Sára weg. Nach dem Abitur wird sie in Budapest studieren und dann wird sie nur noch das Wochenende hier verbringen. Sie hat sich für ein Studium an der Eötvös Loránd Universität in Budapest angemeldet um Sozialarbeiterin zu werden und möchte im Kinderschutz arbeiten. Benjámin besucht die Fachoberschule für Sozialwesen und möchte später als Sozialpädagoge arbeiten. István besucht die Fachoberschule für Finanzwesen und möchte in der Wirtschaft tätig sein, aber er möchte auch gerne anderen helfen, entweder durch eine Arbeit bei einer karitativen Organisation oder indem er einen Teil seines Gehalts spendet.
Die Geschwister halten es für wichtig, anderen zu helfen, und sich im Sozialwesen zu engagieren. István hat an einem internationalen Camp für Ehrenamtliche in Serbien teilgenommen, wo sie Kinder betreut haben. „Wir haben Kindern geholfen, und dabei viel über andere Kulturen gelernt.“ – erzählte István. Das war seine erste Reise ins Ausland, alleine auf sich gestellt, und es war sehr abenteuerlich für ihn, in einem Camp in Serbien zu sein, besonders weil fast niemand dort Englisch spricht. Im Camp war er der einzige ungarische Erwachsene. Mit den anderen Ehrenamtlichen hält er seither den Kontakt durch eine Facebook-Gruppe, und das motiviert ihn sehr, Englisch zu lernen. Sára war vor kurzem an einer Konferenz in Straßburg, wo sie einen Vortrag über die Menschenrechte und Toleranz in Englisch gehalten hat, mit der Leiterin der SOS Wohnungen. „Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich geflogen!“
Die Jugendlichen sind als Erwachsene noch in Pflegschaft, in Zukunft bekommen sie nur noch die finanzielle Unterstützung vom Staat und müssen sich das Geld selber einteilen. Das war ihr Wunsch, damit sie sich lernen selbstständig einen eigenen Haushalt zu führen. „Die meisten Pflegekinder haben Probleme, wie man mit Geld umgehen soll und verstehen nicht, was hinter dem Geld steht, was es für eine harte Arbeit ist, Geld zu beschaffen, und wie leicht es ist, das Geld auszugeben.“ – erklärte Sára. Es gibt wenige, die es geschafft haben, sich in die Gesellschaft einzugliedern und ein normales Leben führen können. Das ist halt der Stereotyp. Aber alle von uns bemühen sich das zu erreichen.“ – fügte István hinzu. Sie haben zwei Arten von Vorurteilen über das SOS von Gleichaltrigen erfahren: „einerseits stellen sie sich das Kinderdorf vor als ein Gefängnis mit Zaun. Andererseits, wenn sie hineinkommen, glauben sie, dass wir wohlhabend sind und sie wollen auch einziehen.“ Die Meinungen gehen sehr auseinander. „Wir leben gut, über dem Durchschnitt, aber mit 25 müssen wir alle von vorne anfangen. Wir müssen alles selbst schaffen, und wir werden nie wieder so gut leben, wie jetzt.“– sieht Sára die Situation realistisch.
Inwiefern beeinflusst es eure Beziehungen zu andere Jugendlichen, dass ihr Pflegekinder seid? „Den Mädchen erzähle ich meinen Hintergrund, aber der leiblichen Familie stelle ich sie nicht gerne vor.“ Für ihn ist die Beurteilung der Geschwister viel wichtiger. Später möchten sie alle Kinder haben, Sára würde gerne adoptieren, aber István möchte ein leibliches Kind, das seinen Namen weiterträgt, „aber nur wenn ich mein Kind versorgen kann und ich halte es für wichtig, dass es anderen hilft.“
Haben sie einen Erwachsenen, der wie ein Vater oder eine Mutter für sie ist? Die mit 10 Jahren ältere damalige SOS Erzieherin, ist für Sára „wie eine Freundin, eine Seelenverwandte, eine Schwester, und eine Mutter. Ihr Mann ist, wie ein Vater“. Es gibt da auch noch Aranka (Aranka Illésné Áncsán), die Leiterin der SOS Wohnungen, die „cool ist, sie widmet uns jede Minute und gibt uns viel. Sie lobt uns wenig, aber sie lernt uns viel.“ Sie haben zwar noch Verwandte, aber sie halten keinen Kontakt mit ihnen.
Habt ihr Streitigkeiten untereinander? „Seitdem uns bewusst wurde, dass unsere Wege sich langsam trennen, gibt es immer mehr Konflikte und unsere Beziehung ist nicht mehr so intensiv wie früher. Deshalb haben wir uns entschieden, nach Griechenland zu fahren, damit wir unsere enge Bindung nicht verlieren.“ Ihr großer Plan ist zu dritt im Sommer nach Griechenland in den Urlaub zu fahren. „Wir bummeln durch die Stadt und sehen das Meer zum ersten Mal in unserem Leben“ – plant Sára. In der Zukunft planen sie, obwohl sie nicht zusammenwohnen werden, den Kontakt miteinander täglich telefonisch zu halten, das Wochenende gemeinsam zu verbringen und ein gemeinsames Programm im Sommer zu organisieren.
Übersetzt von Réka Lakatos
Lektoriert von Markus Reichel